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Aufgabenverteilung an Bord

Aufgabenverteilung an Bord

Teamwork für eine gelungene Atlantiküberquerung

Die Sonne versinkt hinter dem Horizont, und im Cockpit der Yacht herrscht konzentrierte Betriebsamkeit: Einer steht am Steuer, einer bereitet das Abendessen vor, ein anderer macht den Wettercheck für die Nachtwache. Auf einer Atlantiküberquerung wird schnell klar: Ohne klare Aufgabenverteilung funktioniert nichts. Sie ist wichtig für eine erfolgreiche Überfahrt – und entscheidet, ob aus einer Crew ein eingespieltes Team wird.

📋 Organisation

Der Skipper übernimmt das Kommando an Bord und auch das umfassende Aufgabenpaket „Organisation“. Bereits Monate vor dem Ablegen beginnt seine Arbeit – mit der Auswahl der passenden Yacht und der richtigen Crew. Er stellt ein funktionierendes Team zusammen, definiert klare Aufgabenpakete und verteilt diese an die Crewmitglieder. Um den Fortschritt zu sichern, kann er regelmäßig den Stand der Aufgabenerfüllung abfragen.

Er recherchiert nach der Route sowie den Wind-, Strömungs- und Wetterverhältnissen. Der Austausch mit erfahrenen Seglern, Fachliteratur und Onlinequellen hilft bei der Klärung wichtiger Fragen wie: Ausklarieren in Europa, Einklarieren in der Karibik oder rechtliche und nautische Vorschriften auf See. Zusätzlich kann er Ansprechpartner an Land festlegen, die im Notfall kontaktiert werden können.

Wichtige Versicherungen wie die Skipperhaftpflicht- und Reiserücktrittsversicherung werden von ihm abgeschlossen, um im Ernstfall finanziell abgesichert zu sein.

Die Route vom Start- zum Zielhafen wird vom Skipper unter Berücksichtigung von Wetter, Gezeiten, Strömungen und Passatwinden geplant. Zusätzlich wird eine Alternativroute über die Kapverden festgelegt, falls sich der direkte Kurs nicht realisieren lässt.

Auch der voraussichtliche Dieselverbrauch ist zu berechnen, ebenso die benötigte Treibstoffmenge für die Motorstunden auf See.

Ein weiterer elementarer Bestandteil der Organisation ist die Festlegung von Notfall- und Sicherheitsmaßnahmen. Der Skipper klärt mit der Crew das Verhalten bei Seenotfällen, Mann-über-Bord-Situationen und medizinischen Notlagen. Er erstellt eine Packliste mit Empfehlungen für Kleidung, Ausrüstung und persönliche Gegenstände – mit dem Hinweis auf den begrenzten Stauraum an Bord.

Auch der Wachplan fällt in seinen Verantwortungsbereich. Der Skipper teilt die Crew in Tag- und Nachtwachen ein und benennt Wachführer, die während ihrer Schicht die Verantwortung übernehmen.

Falls der Skipper nicht der Eigner der Yacht ist, steht er in engem Kontakt mit dem Eigner sowie der Crew. Er informiert die Crew über aktuelle Entwicklungen und gibt konkrete Handlungsanweisungen.

An Bord ist der Skipper als Schiffsführer verpflichtet, das Logbuch zu führen, in dem er alle wesentlichen Ereignisse, Positionen, Wetterdaten und Vorkommnisse chronologisch festhält.

🚑 Medizinische Versorgung

Auf dem Atlantik gibt es keine Notaufnahme, keinen Arzt und keine Apotheke um die Ecke. Umso wichtiger ist es, ein durchdachtes medizinisches Konzept zu haben – idealerweise betreut von einem Crewmitglied mit medizinischem Hintergrund.

Dieses Crewmitglied ist die Anlaufstelle bei Seekrankheit, Verletzungen oder medizinischen Notfällen und sorgt für eine kompetente Erstversorgung. Es führt einen Arztkoffer mit wichtigen Verbandsmaterialien und Instrumenten zur Versorgung typischer Bordverletzungen – von Schnittwunden bis zu ernsten Vorfällen.

Zusätzlich verwaltet es die Bordapotheke, organisiert in einem separaten Koffer, mit Medikamenten gegen Schmerzen, Entzündungen, Magen-Darm-Beschwerden, Seekrankheit sowie Antibiotika für den Notfall. Die Auswahl erfolgt sorgfältig und vorausschauend.

Vor der Reise sollte der medizinisch Verantwortliche Kontakt zu einem Arzt an Land aufnehmen, der über Satellitentelefon im Rahmen sogenannter Medico-Gespräche bei Bedarf beraten kann – eine wichtige Absicherung für die Crew auf hoher See.

🍲 Verpflegung

Die Verpflegung ist ein zentraler Bestandteil jeder Atlantiküberquerung. Ohne ausreichend Energie, Flüssigkeit und funktionierende Küche sinken Stimmung und Leistungsfähigkeit. Ein oder zwei Crewmitglieder sollten die Verantwortung für die Verpflegung übernehmen. Empfehlenswert ist die Erstellung eines detaillierten Verpflegungsplans mit drei täglichen Mahlzeiten: Frühstück, Mittagssnacks und einem warmen Abendessen. Die Gerichte sollten einfach, schnell zubereitet, nahrhaft, vielseitig kombinierbar und auf zwei Kochfeldern oder im Backofen zubereitbar sein.

Auf Basis des Verpflegungsplans wird der Bedarf an Lebensmitteln kalkuliert und eine Einkaufsliste erstellt. Gemeinsam mit der Crew wird vor Ort im Supermarkt eingekauft. Für die Anlieferung empfiehlt sich ein Mietwagen – einige Märkte bieten jedoch auch einen Lieferservice bis zur Yacht an. Besonderes Augenmerk liegt auf der Haltbarkeit der Lebensmittel, da nur ein kleines Kühlfach zur Verfügung steht. Tiefkühlmöglichkeiten gibt es keine. Obst und Gemüse müssen sachgerecht gelagert werden, um den Reifeprozess nicht durch Ethylenfreisetzung zu beschleunigen.

An Bord sollte das Kochen unter den Crewmitgliedern organisiert werden. Wer nicht kochen kann, kann bei der Vorbereitung (Putzen, Schälen) oder Nachbereitung (Aufräumen, Abwaschen) helfen. Gerade in den ersten Tagen sollte das Kochen unter Deck bei Seegang nicht unterschätzt werden.

Für den Trinkwasserbedarf empfiehlt sich eine Berechnung von zwei Litern pro Person und Tag (inkl. Notreserve). Das Wasser wird in Kunststoffkanistern gekauft und sicher unter Deck verstaut.

Für das Kochen reicht eine Gaskartusche etwa zwei Wochen. Zusätzliche Kartuschen sind vor Ort in der Marina zu erwerben.

Eine Angelausrüstung kann den Speiseplan ergänzen – frischer Fisch ist eine willkommene Abwechslung zum konservierten Proviant.

Abfälle sind nach den Regeln des MARPOL-Übereinkommens zu entsorgen – Mülltrennung, Lagerung und fachgerechte Entsorgung im Hafen sind verpflichtend.

💰 Bordkasse

Eine zentrale Bordkasse ermöglicht die faire Abwicklung gemeinsamer Kosten wie Hafengebühren, Diesel, Verpflegung, Wasser, Gas oder Entsorgungskosten. Ein Crewmitglied übernimmt als Kassenwart die Verantwortung und dokumentiert alle Ausgaben transparent.

Die Bordkasse wird am ersten Tag eingerichtet. Jedes Crewmitglied zahlt einen vereinbarten Betrag bar ein. Der Kassenwart führt ein einfaches Kassenbuch, sammelt Belege und informiert regelmäßig über den Kassenstand. Reicht das Budget nicht aus, kann nachkassiert werden – vorausgesetzt, dies wird frühzeitig und transparent mitgeteilt.

Für die Bordkasse stehen auch digitale Apps zur Verfügung, die Bareinzahlungen an Bord überflüssig machen und am Ende der Reise eine exakte Abrechnung ermöglichen.

⚙️ Dokumentation

Die Reise sollte von einem Crewmitglied fotografisch und filmisch dokumentiert werden. Für schönes Wetter eignet sich eine Kamera mit hoher Auflösung, für Regen und Sturm eine robuste, kompakte Kamera. Für Unterwasseraufnahmen wird ein wasserdichtes Gehäuse empfohlen.

Die Crew sollte sich zu Beginn verständigen, dass alle Medienaufnahmen am Ende zentral gespeichert und für alle zugänglich gemacht werden. Dies kann über eine Cloud-Lösung oder ein NAS-System (netzgebundener Speicher) erfolgen. Alle Bilder und Videos sollten in hoher Auflösung aufgenommen und mit einheitlichem Datumsstempel versehen werden.

Wenn das Crewmitglied Erfahrung in der Videobearbeitung hat, kann nach der Reise ein Film als bleibende Erinnerung erstellt werden.

📡 Kommunikation

Kommunikation ist essenziell für Sicherheit und Verbindung zur Außenwelt. Der Skipper ist hier hauptverantwortlich. Zusätzlich sollte ein weiteres Crewmitglied den Bereich übernehmen.

Auf dem offenen Atlantik ist kein Handyempfang möglich – stattdessen werden Satelliten-GPS-Tracker und ein Satellitentelefon genutzt. Letzteres ist essenziell für Notfälle.

Eine Website kann genutzt werden, um Positionen und Blogeinträge mit Freunden und Familie zu teilen. Das Veröffentlichen von Fotos und Videos setzt eine stabile Internetverbindung voraus, die normalerweise nur an Land verfügbar ist.

Für die Nutzung des UKW-Funkgeräts ist das Short Range Certificate (SRC) erforderlich – neben dem Skipper sollte mindestens ein weiteres Crewmitglied diesen Funkschein besitzen.

🚤 Transport

Die Buchung der Flüge für die Crew kann zentral organisiert werden. Bei einem auf Segelreisen spezialisierten Reisebüro lässt sich ein Angebot für die gesamte Crew einholen. Die Kosten werden transparent weitergegeben, was Einsparungen ermöglicht.

Der Flughafentransfer zur Marina am Start- und Zielhafen kann ebenfalls organisiert werden. Vor dem Ablegen sind meist noch Einkäufe notwendig, für die sich ein Mietwagen empfiehlt.

Spezialgepäck wie Angelausrüstung, Arztkoffer, Medikamentenkoffer und Werkzeug muss sicher transportiert werden – meist per Flugzeug. Dabei sind insbesondere die Sicherheitsvorschriften der Fluggesellschaften sowie die Zollbestimmungen zu beachten. Im Zweifelsfall sollte frühzeitig Kontakt zur Airline aufgenommen werden.

Praktische Tipps für eine gute Aufgabenverteilung

Fazit

Eine klare Aufgabenverteilung ist der Schlüssel für Sicherheit und Harmonie an Bord einer Atlantiküberquerung. Jede Funktion – von Navigation, medizinischer Versorgung, Verpflegung und Bordkasse bis hin zu Dokumentation und Kommunikation – muss klar definiert und von allen verstanden werden. Flexibilität bleibt dabei wichtig, denn nur wenn jeder mehrere Bereiche beherrscht, kann die Crew in Notfällen schnell reagieren.

In dem Buch "Atlantiküberquerung" erzähle ich, welche Aufgabenverteilung wir auf unserer Überfahrt gewählt haben und wie sich diese bewährt hat.

von Alexander Hesse am 21. Juni 2025